Endlich ist der Winter da!

Nachdem der Winter 2016/17 bisher durch Kahlfröste geglänzt hat, legte er in den vergangenen Tagen eine Schippe Schnee nach… Mit den Schneefällen floss arktische Kaltluft in den Alpenraum ein – zwei Bedingungen für besonders tiefe Temperaturen wären also schon mal gegeben gewesen.

Nur: würde es früh genug in der Nacht aufreissen, damit die Temperatur auch wirklich in den Keller saust? Das war die kritische Frage bei der Planung der kleinen Exkursion von heute Vormittag.

Auf der Anfahrt von Zürich nach Alt St. Johann schwankte die Temperatur zwischen -8 °C und -15 °C und bei der Fahrt über den Ricken schneite es noch leicht. Im Toggenburg zwischen Wattwil und Starkenbach war der Himmel ziemlich wolkenverhangen, was den Optimismus doch arg strapazierte…

Bei Scharten oberhalb Alt St. Johann war Endstation mit dem Auto, die Schneeschuhe wurden angeschnallt und das Material geschultert.

Hier ein Bild vom Aufstieg zum Böstritt, Blick zurück Richtung Gamserrugg / Chäserrugg:

Eine gute Dreiviertelstunde später haben wird den Böstritt, den Übergang ins Gräppelental erreicht:

Nochmals 2oo m weiter vorne öffnet sich der Blick in die Senke der Alp Hintergräppelen, dem Ziel unserer Expedition – ein grandioser Anblick! Das Nebelchen auf dem Boden des Talkessels liess die Befürchtung, dass das Minimalziel von -20 °C nicht erreicht werden könnte, vergessen:

Bereits hier oben über dem Kaltluftsee war die Temperatur auf der ziemlich frischen Seite:

Nun begann der Abstieg in den Kessel und mit jedem Schritt in die Tiefe sank die Temperatur um einige Zehntelsgrade. Die -25 °C- und die -30 °C-Marke wurden spielend geknackt, der tiefeste fotographisch festgehaltene Wert beträgt -34.9 °C:

Beim Umhergehen fiel der Wert auf dem Handthermometer zwischenzeitlich auf -35.8 °C ab, stieg aber auch mal auf -32°C an.

Die Kälte hatte einige eindrückliche Effekte:

  • Kunststoff wird sehr schnell steif: USB- und Messsondenkabel erstarrten förmlich, Funktionsbekleidung und Rucksäcke knisterten und raschelten auffällig
  • Eigentlich wollte ich die Logger an meiner Station auslesen – das Notebook mit dem Ausleseprogramm war der Kälte jedoch nicht gewachsen. Daher kann die Handablesung auch nicht mit einem unter vernünftigen Messbedingungen erhobenen Wert in Relation gesetzt werden. Frei nach Arnold Schwarzenegger: I’ll be back – wenn’s etwas wärmer ist, damit das Notebook mitmacht!
  • Die drohende Unterzuckerung liess mich im Rucksack nach der Gatorade-Flasche greifen. Deren Inhalt war zu Slush-Eis erstarrt…
  • Eindrücklich war auch der Eis-Ansatz auf der Balaklava und an den Augenbrauen. Auch in der Nase stach es – zum Glück hatte ich am Abend zuvor noch die Nasenhaare getrimmt 😉
  • An den Händen war die Kälte erstaunlich lang gut auszuhalten. Mit einem Mal wurde es verdammt schnell ungemütlich, und ich musste die Daunenhandschuhe anziehen. Wenn die Hände klamm werden, dann fährt das ziemlich ein…

Das war dann auch der Zeitpunkt für den Rückzug… Beim Abstieg zum Parkplatz gab es dann noch wunderschönen Diamantschnee zu sehen:

Das krönende Finale war dieser Halo mit Nebensonnen:

Fazit:

  • Extreme Kälte ist in einem kontrollierten Rahmen ein absolut sinnliches Erlebnis und eine ausserordentliche Erfahrung!
  • Auch wenn die Vergleichswerte vom Sämtisersee fehlen: die Senke bei Hintergräppelen ist wohl der kälteste Ort im Alpstein.
  • Am heutigen Tag hat der Kaltluftsee bei Hintergräppelen die tieferen Minima geliefert als alle anderen mir bekannten Standorte in der Schweiz mit Messungen (inkl. La Brévine, Samedan, Buffalora, Combe des Amburnex und Glattalp). Korrektur und Anmerkungen erwünscht!
  • Wie bereits erwähnt: Der Wert aus der nahe an den WMO-Vorgaben aufgestellten Station in der Senke von Hintergräppelen ist abzuwarten – das wäre die Referenz.
  • Sobald die Werte aus der Station vorliegen, kann auch abgeleitet werden, wann die Bewölkung aufgerissen ist und wie lange die Ausbildung des Kaltluftsees gedauert hat.