Combe des Amburnex

Wer Google mit „Kälterekord“ und „Schweiz“ füttert, erhält in den ersten Einträgen die üblichen Verdächtigen wie La Brévine oder die Glattalp präsentiert. Der Jura hat jedoch, bedingt durch die vielen Karsterscheinungen, noch einige Senken zu bieten, welche das Potential haben, La Brévine deutlich zu unterbieten. Ein Beispiel ist die Combe des Amburnex westlich des Col du Marchairuz. Sie steht zwar (mindestens in der Deutschschweiz) weniger im medialen Fokus, in vielen botanischen und geologischen Fachpublikationen wird jedoch auf das Potential für extrem tiefe Temperaturen hingewiesen. Im wissenschaftlichen Sinne entdeckt wurde die Combe des Amburnex durch Samuel Aubert (1871 – 1955), welcher 1901 zum Thema „La flore de la Vallée de Joux“ an der Universität Zürich promoviert hat . Es dürften sich um die ältesten systematischen Untersuchungen von Kaltluftseen in der Schweiz handeln.

Lage

Die Combe des Amburnex ist eine Talsenke im Waadtländer Jura und verläuft zwischen dem Vallée du Joux und der ersten Jurakette, etwa vom Col du Marchairuz bis zur Crêt de la Neuve.  Die Talachse verläuft ungefähr in Richtung NNE-SSW.

Die Combe des Amburnex umfasst mehrere Mulden:

    • Einige Quellen zählen die Senken Pré de Bière und Pré de Denens nördlich der Passstrasse des Col du Marchairuz ebenfalls noch zur Combe des Amburnex, vgl. .
    •  Die Sèche des Amburnex kann bezüglich ihrer Lage als sekundäre, nach Nordwesten vom Haupttal abgesetzte Senke betrachtet werden. Sie ist jedoch mit ca. 1285 m an ihrem tiefsten Punkt tiefer als das Haupttal, wo südöstlich von Trois Chalets der tiefste Punkt auf 1291 m liegt. Das Haupttal der Combe des Amburnex ist  durch einen Rücken („Bois du Milieu)“ von der Sèche des Amburnex getrennt.
    • Im nordwestlichen Teil der Combe des Amburnex liegt die Sèche de Gimel.

Der Kaltluftseee füllt nicht die gesamte Combe des Amburnex aus. Wird der Kaltluftsee über das DHM25 abgeleitet, so wird ein Gesamtkomplex definiert, welcher aus zwei miteinander verbundenen Senken besteht:

Entstehung

Bei der Combe des Amburnex handelt es sich um ein Synklinaltal (Tal im nach unten gerichteten Teil einer Falte), welches nach der letzten Eiszeit im Bereich der Sèche des Amburnex durch einen flachen See verfüllt war. Dieser ist verlandet und es bildete sich ein Moor aus, welches sich über die Zeit in einen Sumpf umgewandelt hat () (Ein Moor bedingt das Vorhandensein von Torf bzw. Torfmoosen, in einem Sumpf findet keine Torfbildung statt).

Die Sèche des Amburnex ist ein Antiklinaltal (Tal im nach oben gerichteten Teil einer Falte) auf dem nordöstlichen Rücken des Mont Sala. Sie hat im Gegensatz zur Sèche de Gimel einen trockenen Charakter und ist mit Felsstufen durchsetzt ().

Eigenschaften

Tiefste Stelle1285 m
Höhe Überlaufstelle1323 m
maximale Tiefe38 m
Fläche auf Höhe der Überlaufstelle3.05 km2
Volumen des Kaltluftsees44'450'000 m3
Sky View Faktor (sichtbarer Anteil des Himmels gegenüber einer Ebene)>0.95

Messungen

Klimatologische Messungen wurden in der Combe des Amburnex seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts durchgeführt, überwiegend als Grundlage für vegetationskundliche oder forstwirtschaftliche Untersuchungen (z.B. ) . Wo die Daten gegebenenfalls verfügbar wären, ist mir nicht bekannt und bedarf weiterer Recherchen.

Seit 2012 betreibt Agrometeo in der Combe des Amburnex zwei Messstationen (vgl. und ):

Die Ergebnisse der Messungen sind unter https://agrometeo.ch abrufbar. Der tiefste Wert seit Wiederaufnahme der Messungen wurde am 6. Februar 2012 mit -37.4 °C registriert .

Messungen wurden bereits zuvor durch Samuel Aubert und die Forschungsanstalt Changins durchgeführt. Die tiefsten bisher recherchierten Werte werden mit -42 °C im Januar 1942 und zwischen -45 °C und -47 °C im Januar 1985 angegeben. Eine Nachfrage beim Autor hat ergeben, dass der Januar-Wert von 1985 durch eine Handmessung mit einem Alkoholthermometer ermittelt wurde und -46 °C betragen hat . Unbelegte Spekulationen geben bis zu -60 °C als möglichen Tiefstwert an .

Weitere projektbezogene Messungen wurden zwischen 2008 und 2012 in den beiden Senken La Plateforme bzw. La Perrause durchgeführt, welche in der unmittelbaren Nachbarschaft der Combe des Amburnex liegen. Hier wurden am 20. Dezember 2009 -36.2 °C (La Perrause) bzw. am 1. Februar 2010 -35.9 °C (La Plateforme)  als absolute Tiefstwerte registriert . Aus dieser Zeit liegen keine Messungen aus der Combe des Amburnex vor, welche für die Einordnung dienen könnten.

Literatur

Lugeon, J., 1957: Annalen der Schweizerischen Meteorologischen Zentralanstalt 1956.
Gämperli, R., 2006: Staudammprojekte im oberen Toggenburg. https://doi.org/10.5169/SEALS-882812.
Rutishauser, W. F., 1919: Beiträge zur Geologie des Säntisgebirges im Gebiete vom Gräppelental zum Rotsteinpass. https://doi.org/10.5169/SEALS-834889.
Svetlin, D., I. Sinjur, and M. Ogrin, 2023: Temperaturne razmere v mraziščih Komne. dela, 57–104, https://doi.org/10.4312/dela.60.57-104.
Rauchöcker, A., A. Rudolph, I. Stiperski, and M. Lehner, 2024: Cold‐air pool development in a small Alpine valley. Quart J Royal Meteoro Soc, 150, 1243–1266, https://doi.org/10.1002/qj.4644.
Grossniklaus, K., Die Iselten Alpen.
Morgenthaler, W., 2010: «Eifach obenuse». Petri-Heil | Dein Schweizer Fischereimagazin, 2–3.
Amacher, G., 1996: Auf den Spuren des Sägistalbachs. Jahrbuch vom Thuner- und Brienzersee, Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee, 9–40.
2023: Volume I – Measurement of Meteorological Variables. Guide to meteorological instruments and methods of observation, World Meteorological Organization.
La Municipalité, 2011: Une nouvelle station météorologique aux Trois Chalets. Le Vauli.
Wenger, M., 2011: Inauguration d’une nouvelle station météo. Val News,.
Marchant, R., and G. Grosjean, 2004: Roches et paysages du Parc jurassien vaudois. Musée cantonal de géologie & Parc jurassien vaudois,.
Falconnier, A., 1951: Feuille 25 de l’Atlas - Notice explicative. Schweizerische Geologische Kommission, https://prod-swishop-s3.s3.eu-central-1.amazonaws.com/product-documents/GA25-ERL-25.pdf.
Decentlab, 2021: DL-SHT35 Datasheet.
Barani Design, 2022: MeteoShield® Pro Gen 3.
Sensirion, 2022: Datasheet SHT3x-DIS.
González Sotelino, L., N. De Coster, P. Beirinckx, and P. Peeters, 2018: Intercomparison of Shelters in the RMI AWS Network. CIMO-TECO 2018 Proceedings, Vol. 132 of IOM Report, The 2018 WMO/CIMO Technical  Conference on  Meteorological and  Environmental  Instruments and Methods  of Observation (CIMO TECO-2018), Amsterdam, World Meteorological Organization https://www.wmocimo.net/wp-content/uploads/P1_26_Sotelino_teco_2018_lgs.pdf (Accessed December 3, 2024).
World Meteorological Organization, 2008: Guide to meteorological instruments and methods of observation. World Meteorological Organization,.
Hantke, R., 1967: Die würmeiszeitliche Vergletscherung im oberen Toggenburg (Kt.St.Gallen). Vierteljahresschrift der Naturfoschenden Gesellschaft in Zürich, 112, 223–242.
Vollmer, M., 2021: Gefrierende Gewässer: Eisbildung auf Süßwasserseen. Phys. Unserer Zeit, 52, 19–25, https://doi.org/10.1002/piuz.202001589.
Spengler, D., 1973: Die Auslotung der drei Gebirgsseen Bachalpsee, Sägistalsee und Hinterburgsee. Jahrbuch vom Thuner- und Brienzersee, 30–40.
Roth, E., 2020: Inner-Iselten. ALPORAMA - Schweizer Alpbetriebe Marketing Inventar - SAMI,. http://www.alporama.ch/gv2/get/get_alpSenntenDetail.asp?idAlpen=310 (Accessed October 29, 2022).
Hirt, A. M., L. Lanci, and K. Koinig, 2003: Mineral magnetic record of Holocene environmental changes in Sägistalsee, Switzerland. Journal of Paleolimnology, 30, 321–331, https://doi.org/10.1023/A:1026028728241.
Koinig, K. A., W. Shotyk, A. F. Lotter, C. Ohlendorf, and M. Sturm, 2003: 9000 years of geochemical evolution of lithogenic major and trace elements in the sediment of an alpine lake – the role of climate, vegetation, and land-use history. Journal of Paleolimnology, 30, 307–320, https://doi.org/10.1023/A:1026080712312.
Hofmann, W., 2003: The long-term succession of high-altitude cladoceran assemblages: a 9000-year record from Sägistalsee (Swiss Alps). Journal of Paleolimnology, 30, 291–296, https://doi.org/10.1023/A:1026084813220.
Heiri, O., and A. F. Lotter, 2003: 9000 years of chironomid assemblage dynamics in an Alpine lake: long-term trends, sensitivity to disturbance, and resilience of the fauna. Journal of Paleolimnology, 30, 273–289, https://doi.org/10.1023/A:1026036930059.
Ohlendorf, C., M. Sturm, and S. Hausmann, 2003: Natural environmental changes and human impact reflected in sediments of a high alpine lake in Switzerland. Journal of Paleolimnology, 30, 297–306, https://doi.org/10.1023/A:1026032829150.
Wick, L., J. F. N. van Leeuwen, W. O. van der Knaap, and A. F. Lotter, 2003: Holocene vegetation development in the catchment of Sägistalsee ( 1935 m asl), a small lake in the Swiss Alps. Journal of Paleolimnology, 30, 261–272, https://doi.org/10.1023/A:1026088914129.
Lotter, A. F., and H. J. B. Birks, 2003: The Holocene palaeolimnology of Sägistalsee and its environmental history – a synthesis. Journal of Paleolimnology, 30, 333–342, https://doi.org/10.1023/A:1026091511403.
Guthruf, J., K. Guthruf-Seiler, and M. Zeh, 1999: Kleinseen im Kanton Bern. Gewässer- und Bodenschutzlabor des Kantons Bern (GBL), AMT FÜR GEWÄSSERSCHUTZ  UND ABFALLWIRTSCHAFT (GSA), https://www.bvd.be.ch/content/dam/bvd/dokumente/de/awa/wasser/gew%C3%A4sserschutz/gew%C3%A4sserqualit%C3%A4t/berichte-zur-gew%C3%A4sserqualit%C3%A4t/1999-kleinseen-im-kanton-bern-gbl-de.pdf (Accessed October 28, 2022).
Engesser, R., B. Forster, and W. Landolt, 2002: Frostschäden an Nadelbäumen im Winter 2001/2002 und deren Folgen | Frost damage to conifers in winter 2001/2002 and its influence on tree development. Schweizerische Zeitschrift fur Forstwesen, 153, 471–475, https://doi.org/10.3188/szf.2002.0471.
Marwan, N., 2019: Karstgebiet Sägistal. 14. Nationaler Kongress für Höhlenforschung, Sinterlaken19, Interlaken, 69–74 https://www.isaak.org/Docs/marwan_Sinterlaken19.pdf (Accessed November 13, 2021).
Aubert, S., 1910: La Sèche des Amburnex. La Revue, 143–145.
Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, ed., 1988: Schülerduden Wetter und Klima. Meyers Lexikonverlag, 436 pp.
BLN 1612 Säntisgebiet. Bundesamt für Umwelt BAFU,.
Bader, S., 2012: Kältewellen im Vergleich. MeteoSchweiz,.
Regierungsrat des Kantons Bern, ed., 2000: Kantonaler Sachplan Moorlandschaften.
Labhart, T. P., 1992: Geologie der Schweiz. Ott, 211 pp.
2013: Die Wirkung von Vegetation in randstädtischen Luftleitbahnen : Studien zur Kaltluft in der Stadt Aachen. RWTH, http://publications.rwth-aachen.de/record/229472/.
Huber, M., and R. Knutti, 2011: Anthropogenic and natural warming inferred from changes in Earth’s energy balance. Nature Geoscience, 5, 31.
Bühler, 2004: La Chaux-d’Abel. Theologisches Seminar Bienenberg, .
The Geologists’ Association Fieldwork Code.
2008: Ehrenkodex für Goldwäscherinnen und Goldwäscher.
2003: Ehrenkodex für Strahler, Mineralien- und Fossiliensammler, für Verkäufer und Händler.
2004: Ehrenkodex für die Schweizerische Höhlenforschung.
Schubert, P., 2011: Sicherheit und Risiko in Fels und Eis: Erlebnisse und Ergebnisse aus 25 Jahren Sicherheitsforschung des Deutschen Alpenvereins. Bd. 2: Erlebnisse und Ergebnisse aus der Sicherheitsforschung des Deutschen Alpenvereins. 3. Aufl. Bergverl. Rother, 320 pp.
Brückmann, W., 1930: Die Februarkälte 1929 in der Schweiz. 66.
Burnand, J., A. Zischg, B. Huber, M. Frehner, and G. Carraro, 2015: Mit welchen Klimaparametern kann man Grenzen plausibel erklären, die in NaiS (Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald) verwendet werden um Ökogramme auszuwählen?: Schlussbericht des Projektes im Forschungsprogramm “Wald und Klimawandel” des Bundesamtes für Umwelt BAFU, Bern und der Eidg. Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf. ETH Zurich,.
Pospichal, B., 2004: Struktur und Auflösung von Temperaturinversionen in  Dolinen am Beispiel Grünloch. Universität Wien, 68 pp. http://othes.univie.ac.at/52863/1/DA_Pospichal_final.pdf.
Burt, S., 2012: The Weather Observer’s Handbook. Cambridge University Press, 444 pp.