Trotz coronalem Lockdown war am 18. April eine Auslesetour zu den Messtationen im Alpstein fällig. Die Touren zum Sämtisersee und zur Senke von Hintergräppelen waren zielgerichtet, mit wenig Risiken verbunden und wurden solo mit genügend Abstand zu anderen Wanderern absolviert. Sie waren daher meines Erachtens auch unter den gegebenen Umständen vertretbar.
Seit Wochen ist das Wetter hochdruckbestimmt und deutlich wärmer als normal. Markant ist die extreme Trockenheit. In tieferen Lagen, unterhalb von etwa 1500 m, war die Schneebedeckung bis auf wenige Tage den ganzen Winter über unterdurchschnittlich, wie die folgende Graphik des SLF zeigt:
Unterhalb von etwa 1500 m ist die Ausaperung weit fortgeschritten. Durch die grosse Trockenheit führen Gewässer, deren Einzugsgebiet nicht mehr in Höhenlagen reicht, wo die Schneeschmelze noch zum Abfluss beiträgt, teilweise sehr wenig Wasser. Das nachfolgende Bild zeigt einen Zubringer zum Brüelbach bei Brülisau, welcher trockengefallen ist:
Erste Schneereste gab es im Brüeltobel. In Lagen mit starker Abschattung und insbesondere beim Hexenwäldli, einer unterkühlten Blockschutthalde, konnte sich noch etwas Schnee halten:
Oben am Sämtisersee waren die Schneereste nur noch sehr spärlich vorhanden und die Quellwolken hatten bereits frühsommerlichen Charakter:
Auch der See war eisfrei. Wie schnell die Schmelze vor sich ging, zeigt die Animation der Bilder der Webcam von hoherkasten.ch. Sie umfasst den Zeitraum vom 4. bis zum 8. April. Dank der hellen Mondnächte und zeitweiliger Föhnunterstützung ist der Prozess teils auch bei Nacht gut zu verfolgen:
Auf der anderen Seite des Alpsteins bot sich beim Aufstieg von Scharten ins Gräppelental ein fantastischer Blick auf die Churfirsten:
Die Quellbewölkung bildete sich über den schneefreien Hängen, weiter oben wurde die Thermik durch die Schneebedeckung gedämpft.
Mit dem Übergang vom Haupttal ins Gräppelental änderte sich der Eindruck. An schattigen Lagen sowie in der Senke lag noch deutlich mehr Schnee als am Sämtisersee auf ähnlicher Höhe:
Im Bereich des Gerinnes, welches zum Schluckloch hin entwässert, fällt die schmutzige Schneeoberfläche auf, welche in der folgenden Aufnahme besser zu sehen ist:
Diese rührt von einer kombinierten Regen-/Schneeschmelzereignis Anfang Februar her. Dass ein solches stattgefunden haben muss, zeigte sich bei meiner letzten Auslesetour am 6. Februar. Beim Öffnen des Loggergehäuses präsentierte sich die Lage folgendermassen:
Die Enteisungsaktion bei -17 °C war einigermassen heikel: Wie enteist man den Logger soweit, dass er ausgelesen werden kann, ohne aber die durch die Kälte spröden und somit zerbrechlichen Kabel zu beschädigen? Schlussendlich war das Werk jedoch vollbracht:
Versuchsweise wurde im vergangenen November am Hang der Senke eine Wildkamera im Zeitraffer-Modus angebracht, um die Dynamik der Schneedecke und der Nebelbildung in der Senke qualitativ zu erfassen. Leider hat sie bisher nicht wie gewünscht funktioniert, hat aber dennoch ein Bild der Überflutung am 3. Februar geliefert:
Zurück zu den Bedingungen vom vergangenen Samstag, dem 18. April. Die Mächtigkeit der Altschneedecke betrug in der Senke teilweise bis zu einem halben Meter. Ein Blick auf den Temperaturverlauf seit Anfang April zeigt den Grund: Über der Senke an der Nebenstation Mittelberg war die Temperatur fast durchwegs im positiven Bereich (rote Kurve), unten in der Senke an der Hauptstation (blaue Kurve) waren die Schwankungen viel grösser und es wurden jeden Tag negative Minima registriert. Der Mittelwert der Temperatur lag nur knapp im positiven Bereich.
So erfolgte der Abbau der Schneedecke sehr viel langsamer als an sonnenexponierten Lagen ausserhalb der Senke. Bei 15 °C und direkter Sonneneinstrahlung liess sich die Schmelze gut beobachten: Das Schmelzwasser wurde als gesättigter Oberflächenabfluss dem Gerinne und dann dem Schluckloch zugeführt. Beide waren sehr gut gefüllt:
Zum Schluss noch ein Blick auf den nahen Gräppelensee: dieser war zu grossen Teilen noch von Eis bedeckt (wir erinnern uns an die Zeitrafferaufnahme vom Sämtisersee).
Ein weiteres Indiz dafür, dass der östliche Alpstein gegenüber dem Gräppelental thermisch begünstigt ist.