Aktuell

Überflutung der Station von Hintergräppelen

Die Senke von Hintergräppelen wird unterirdisch über einen Ponor (Schluckloch) entwässert. Wenn der Zufluss den Abfluss übersteigt, dann staut sich das Wasser und es bildet sich ein temporärer See aus. Dieses Phänomen ist bekannt und wurde im Mai 2009 durch Ivo Deininger bereits einmal im Bild festgehalten:

Senke von Hintergräppelen im Mai 2009. Regen und Schneeschmelze haben einen temporären See aufgestaut. © Ivo Deininger

Es ist ein grundsätzliches Dilemma bei der Messung in geschlossenen Senken: zuunterst ist es am kältesten, die Hochwassergefahr ist aber auch am grössten. Dementsprechend sind solche Überflutungen auch aus La Brévine oder aus der Combe des Amburnex bekannt.

Ende Mai 2019 sind im Alpstein über 100 mm Niederschlag bei einer Schneefallgrenze von über 2000 m gefallen. Nachdem der Echtzeitsensor zuerst ausgefallen ist, 1.5 Tage später jedoch wieder Lebenszeichen von sich gegeben hat, schien zuerst alles in Ordnung: Glück gehabt, wahrscheinlich ist der Wasserspiegel stark angestiegen und hat die Signalausbreitung behindert, ohne die Station jedoch zu überfluten (die Signalausbreitung hängt vom Abstand zur Oberfläche ab, hier lässt sich damit spielen: https://waviot.com/technology/nb-fi-range-calculator):

Wie ein Augenschein vor Ort ergeben hat, waren die Hoffnungen verfrüht: Im Rahmen einer Exkursion mit Studenten der Uni Wien zeigten sich am 29. Mai einerseits normale Winterschäden (Mast durch Schneedruck verbogen, Abspannung musste erneuert werden – durch tatkräftige Mithilfe von Prof. M. Dorninger und Studenten in kurzer Zeit erledigt!), andererseits ergoss sich beim Öffnen der Box, in welcher der Logger untergebracht ist, ein Schwall Wasser auf den Autor dieser Zeilen… Der Logger stand also tagelang unter Wasser, er hat dieses Waterboarding jedoch tatsächlich überlebt!

An diesem Tag entstanden die beiden folgenden Aufnahmen:

Ausmass des temporären Sees in der Senke von Hintergräppelen, aufgenommen am 29. Mai 2019. Die Obergrenze des Wassers wird durch die Unterkante des Schnees angezeigt.
Aufnahme der Messstation in der Senke. Gut sichbar ist die Vernässung des Bodens. Die Aufnahme entstand nach der Behebung der Winterschäden (Erneuerung Abspannung, Begradigung des Mastes).

Leider blieb die Verbindung zum Echtzeitsensor in den Folgetagen instabil. Ein erneuter Besuch in Hintergräppelen am 5. Juni zeigte den Grund:

Wasserschaden am Echtzeitsensor in Hintergräppelen, aufgenommen am 5. Juni.

Auch die Ventilation des Strahlungsschutzes der Loggermessung funktionierte an diesem Tag nicht mehr. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass alle elektronischen Geräte der Messstation bis auf den Logger selber durch das Hochwasser zerstört wurden.

Wie lange die Behebung dieser Schäden dauert, ist noch unklar. Priorität hat dabei die Ventilation der Loggermessung, um bald wieder zuverlässige Temperaturwerte tagsüber zu erhalten. In zweiter Linie wird eine baldige Wiederaufnahme der Echtzeitmessungen angestrebt. Da das Projekt komplett privat finanziert ist, muss zuerst die Finanzierung sichergestellt werden – und diese kann mit einer Spende unter

unterstützt werden. Danke für die Mithilfe im voraus!

Nachlese zum Februar 2019

Generell war der Februar 2019 aussergewöhnlich mild im Alpenraum. Langandauernde Hochdrucklagen haben dazu geführt, dass die Luft grossräumig abgesunken sind und sich starke Inversionen ausbilden konnten. Hintergräppelen war hierfür ein Paradebeispiel, wie der Temperaturverlauf der Hauptstation in der Senke im Vergleich mit der Nebenstation gut 35 über dem Kaltluftsee zeigt:

Temperaturverlauf von Hintergräppelen und Mittelberg im Februar 2019

Es traten drei Episoden mit persistenten Kaltluftseen auf: die Inversion wurde dabei über Tage hinweg nicht mehr aufgelöst.

Zwei Ereignisse sollen dabei hervorgehoben werden. Am Morgen des 7. Februars wurde die Inversion innerhalb von kürzester Zeit aufgelöst:

Von 19 UTC des Vorabends bis um 3 UTC (4 Uhr Lokalzeit) verharrte die Temperatur unten in der Senke um -25 °C. Bis um 6 UTC war anschliessend ein langsamer Temperaturanstieg bis auf knapp -19 °C zu verzeichnen, bevor der stärker werdende Höhenwind in die Senke durchgriff und die verbliebene Kaltluft innerhalb von 20 Minuten ausräumte und die Temperatur auf +1 °C ansteigen liess. Über den gesamten Tag wurde eine Amplitude von 30.2 Grad verzeichnet.

Zwischen dem Abend des 12. und dem Morgen des 19. Februars hat sich die Inversion über Hintergräppelen während fast 6 Tagen nicht mehr aufgelöst. Kurz vor Sonnenaufgang am 17. Februar wurde die bisher stärkste Inversion registriert: Auf einer Höhendifferenz von 75 m trat ein Temperaturunterschied von gut 30 Grad aus:

Gut zu beobachten war in dieser Periode auch ein starker Strahlungsfehler: Der Echtzeitsensor in Hintergräppelen ist nicht aktiv ventiliert, die Loggermessung hingegen schon. Jahreszeitlich ist im Spätwinter und im Frühjahr, wenn die Stärke der Sonneneinstrahlung zunimmt und die Albedo durch den Schnee hoch ist, das Potential für grosse Strahlungsfehler am grössten. In der obenstehenden Darstellung zeigt sich, dass in der kurzen Zeit vor dem Mittag, wenn die Sonne auf den Grund der Senke einfällt, die Differenz zwischen ventilierter und unventilierter Temperaturmessung Werte von bis zu 10 Grad annehmen kann.

Vergleicht man die monatliche Darstellung der Quantile der Inversionsstärken in Hintergräppelen, so zeigt sich, dass der Februar 2019 in der kurzen Messreihe eine besondere Stellung einnimmt:

Was die Extremwerte betrifft, war der Monat in Hintergräppelen nicht spektakulär: am 6.2. wurde ein Monatsminimum von -30.2 °C registriert. Wesentlich interessanter ist der Monatsmittelwert von -8.5 °C: Man muss bis zum Jungfraujoch aufsteigen, um ausserhalb von Kaltluftseen einen vergleichbar tiefen Monatsmittelwert zu finden (vgl. z.B. Klimabulletin Februar 2019 von MeteoSchweiz).

Monatstabelle Hintergräppelen Februar 2019

Extrem milde Witterung im Februar – aber nicht überall…

Seit einer guten Woche prägt hoher Luftdruck das Wetter über dem Alpenraum und läge in den Alpen nicht überdurchschnittlich viel Schnee, man würde sich mitten im Frühling wähnen. In Berglagen lagen die Temperaturen der vergangenen Tage 7 bis 10 Grad über den Werten, welche in dieser Jahreszeit zu erwarten wären, wie im heutigen Blog von MeteoSchweiz gezeigt wird (Beitrag nicht mehr online verfügbar, als Ersatz ein Link auf die Karten der monatlichen Abweichungen der Temperatur von der Norm)

Demgegenüber waren die Abweichungen der Temperatur von der Norm in Tallagen deutlich geringer: eine sehr trockene Luftmasse hat dazu geführt, dass die Abstrahlungsbedingungen in der Nacht außerordentlich gut waren und die Temperaturen stark absinken konnten, während sie in der Höhe permanent mild blieben.

In gut funktionierenden Kaltluftseen wie in Hintergräppelen war von der milden Luft nichts zu spüren: vom 13. bis zum 18. Februar wurden täglich Minima von unter -20 °C (am 17. gar -25.8 °C) gemessen und die Tagesmittelwerte blieben zwischen -14 und -17 °C.

Noch nicht ganz klar ist, wie hoch die Temperatur tagsüber anstieg: Der Sensor (im Bild unten rechts zu sehen), welcher in Echtzeit Daten registriert und übermittelt (vgl. aktuelle Daten von Hintergräppelen), wird nicht aktiv belüftet und weist deshalb um die Mittagszeit, wenn die Sonne kurz über den Horizont steigt, einen Strahlungsfehler von mehreren Grad auf. So ist es nicht ausgeschlossen, dass in dieser Periode die Temperatur ganztags unter 0 °C geblieben ist. Gewissheit wird erst nach dem Auslesen der Loggerdaten herrschen: Dieser Sensor (im Bild unten links zu sehen) wird zwangsbelüftet und der Strahlungsfehler wird so minimiert.

Nahaufnahme der Sensoren der Messstation in Hintergräppelen. Links: aktiv ventiliertes Strahlungsschutzgehäuse des Datenloggers, rechts das natürlich ventilierte Strahlungsschutzgehäuse der Echtzeitdaten-Sensors. Besonders bei Schnee auf dem Boden und gleichzeitiger Sonnenstrahlung kann letzterer um mehrere Grad zu hoch messen.

In der Nacht vom 18. auf den 19. Februar hat der Wind in der Höhe deutlich angezogen und die Temperatur ist noch in der Nacht zwischenzeitlich gegen +5 °C angestiegen…

Neue Station mit Echtzeitmessung in La Chaux-d’Abel

Am 28. Dezember wurde in der Nähe des Hochmoores von La Chaux-d’Abel im Berner Jura eine neue Messstation aufgestellt.

Seit Mitte Juli 2018 wurden bereits Testmessungen durchgeführt und am 12. Dezember konnte das bisherige Minimum von -23.9 °C registriert werden. Dieser Wert liegt um fast 4 Grad tiefer als das Minimum, welches gleichentags in La Brévine registriert wurde (vgl. z.B. MeteoSchweiz-Blog “Herrlich frisch” vom 12. Dezember 2018).

Die Station konnte mit Unterstützung der Firmen Decentlab (Sensorik) und Barani Design (Strahlungsschutz) realisiert werden – vielen Dank hierfür!

Link zur Gebietsbeschreibung: https://kaltluftseen.ch/la-chaux-dabel/

Link zu den aktuellen Messdaten: https://kaltluftseen.ch/la-chaux-dabel-aktuelle-messwerte/

Fairplay im Feld – ein Verhaltenskodex

Die Freunde der gepflegten Kälte können je nach Wohnort lange warten, bis die Wetterlage den eigenen Wünschen entspricht. So halten sie es zwangsläufigerweise mit dem Sprichwort “Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, geht der Prophet zum Berg” und gehen dort hin, wo die Kälte ist.

Extrem tiefe Temperaturen sind an bestimmte topographische Voraussetzungen gebunden: Sie treten – günstige meteorologische Bedingungen vorausgesetzt – in abflusslosen Senken auf.

Die Forschung in Kaltluftseen bringt es also mit sich, dass sie standortgebunden ist – und diesen speziellen Orten muss man Sorge tragen und möglicherweise auftretenden Konflikten vorausschauend aus dem Weg gehen:

  • Wir bewegen im Feld auf fremdem Grund und Boden – aus diesem Grund ist eine gute Einvernahme mit der Eigentümerschaft eine Selbstverständlichkeit. Weiterhin sind Nutzungsbeschränkungen, welche sich durch Schutzzonen ergeben, zu respektieren.
  • Zwar ist die Community der Forschenden in Kaltluftseen sehr überschaubar – die Erfahrung zeigt jedoch, dass die wirklich vielversprechenden Orte eine gewisse Anziehungskraft ausüben. Eine gegenseitige Rücksichtnahme und ein angemessener Informationsaustausch würde eigentlich zum guten Ton gehören.

Leider zeigt es sich aus eigener wie auch aus der Erfahrung von Kollegen im Ausland, dass es private Gruppen gibt, welche diese Gepflogenheiten ignorieren oder sogar bewusst dagegen verstossen.

Aus diesem Grund ist ein Verhaltenskodex entstanden, welcher als Leitlinie bzw. als gute Praxis für das eigene Verhalten gelten soll. Neben Forscher-Kollegen aus Rumänien und den Niederlanden hat sich erfeulicherweise auch die Agenzia Regionale per la Prevenzione e Protezione Ambientale del Veneto (ARPAV), welche im Veneto ein ganzes Netz von Messstellen in Dolinen betreibt (www.arpa.veneto.it/temi-ambientali/climatologia/progetti/depressioni-fredde1), zu dessen Einhaltung verpflichtet.


Der Verhaltenskodex ist unter https://kaltluftseen.ch/verhaltenskodex/ in einer deutschen Übersetzung vorhanden. Wegen der internationalen Abstützung ist die englische Version massgebend:

Wer Feldforschung in Kaltluftseen betreibt und mit dem Wortlaut des Verhaltenskodex einverstanden ist, wird ermutigt, sich unter info@kaltluftseen.ch zu melden. Anregungen und Verbesserungsvorschläge sind selbstverständlich willkommen!

Der Einfluss des Hochnebels auf die Temperatur

Der Vergleich von Hintergräppelen und der Glattalp zeigen den Einfluss der Bewölkung und des Hochnebels auf den Temperaturverlauf.

Das Webcambild von iltios.roundshot.com von gestern Abend zeigt, dass Hintergräppelen von zwei Seiten in die Zange genommen wird. Einerseits ziehen mittelhohe Wolkenfelder auf und die Hochnebelobergrenze liegt nur noch knapp unterhalb der Höhe von Hintergräppelen:

Quelle: iltios.roundshot.com

Der Aufzug der mittelhohen Wolken geschah nicht nur über dem Obertoggenburg, sondern auch in der Zentralschweiz. Entgegen dem üblichen Tagesgang stiegt die Temperatur im Verlauf des Abends somit an, wie auf dem Temperaturverlauf gut zu sehen ist:

(c) Daten Glattalp: ebs.swiss

Noch vor Mitternacht klarte es dann wieder auf – zumindest über der Glattalp und ein starker Temperaturrückgang setzte ein. Über dem Obertoggenburg blieb Hochnebel übrig, wobei die Obergrenze höher als die Alp Hintergräppelen lag. Zwischen 2 und 5 Uhr verzog er sich und nun setzte auch in Hintergräppelen ein Temperaturrückgang ein, bevor er dann zwischen 5 und 7 Uhr nochmals hineinschwappte. Nachvollziehen lässt sich dies übrigens gut mit dem “Nebelcheck” unter kachelmannwetter.ch. Nach Sonnenaufgang war der Hochnebel wieder verschwunden, wie wiederum die Webcam auf dem Iltios zeigt und der Hochnebel lag knapp unterhalb des Niveaus der Alp Hintergräppelen:

Quelle: iltios.roundshot.com

Der Hochnebel hatte also einen wesentlichen Einfluss auf die Minima. Dieses betrug auf der Glattalp -30.2 °C, auf der Alp Hintergräppelen lag dieses bei -20.2 °C.


Erstmals -30 °C in dieser Saison in Hintergräppelen

Heute Morgen wurde in Hintergräppelen erstmals in diesem Winter die Marke von -30 °C unterschritten. Am Datenlogger wurde ein Wert von -30.7 °C registriert. Dieser Wert ist derjenige, welcher für Analysen und Auswertungen verwendet wird.

Mittels Handmessung konnten noch tiefere Werte ermittelt werden:

Immer wieder faszinierend ist der Reifansatz, welcher mit fortschreitender Dauer immer mächtiger wird:

Das Schluckloch, welches die Senke entwässert, ist jedoch viel reizvoller als das leicht unterkühlte Antlitz des Autors, zumal es sich im schönsten Eisgewand präsentierte:

Der Wert auf dem Handmessgerät von -31.2 °C im ersten Bild ist nicht unter Standardbedingungen zustande gekommen. In die Statistik geht schlussendlich der Wert ein, welcher vom Datenlogger registriert wurde, dieser ist so aufgestellt, dass die Messbedingungen den Vorgaben der WMO möglichst nahe kommen. Das Tagesminimum wurde um 07:40 Lokalzeit gemessen und betrug -30.7 °C:

Monatstabelle Hintergräppelen Dezember 2018

In der untenstehenden Verlaufsgraphik ist neben der Temperatur der Hauptstation in der Senke zusätzlich die Temperatur der Nebenstation über der Senke am Mittelberg aufgetragen. Die Ausbildung des Kaltluftsees begann am Nachmittag des 11. Dezembers. Gut zu sehen ist auch, dass sowohl in der Nacht vom 11. auf den 12. Dezember als auch in der darauf folgenden Nacht der Temperaturrückgang nicht störungsfrei verlief und somit noch tiefere Minima verhindert wurden. In der ersten Nacht bildete sich eine Inversion von maximal 18 Grad aus, in der zweiten Nacht sogar von über 20 Grad.


Am Anfang stand das Vergessen…

Eigentlich war der Besuch am Sämtisersee am vergangenen Samstag gar nicht geplant – bis ich im Rucksack den Deckel eines Datenloggers fand. Den hatte ich offensichtlich bei meiner letzten Auslesetour Anfang November vergessen, wieder anzubringen – und die Elektronik des Loggers war seither ungeschützt gegen Feuchtigkeit. Der Deckel musste also unbedingt wieder dorthin, wo er hingehörte.

Der Ärger wurde jedoch mehr als kompensiert durch die Impressionen, welche sich beim Besuch gestern morgen ergaben… Während der gesamten Anfahrt und auch das Brüeltobel hinauf dominierten Hochnebel bzw. Nebel, doch kaum am Plattenbödeli angekommen, klarte es auf:

Blick vom Plattenbödeli Richtung Hüser beim Passieren der letzten Nebelschwaden.

Unten in der Senke blies der Wind erstaunlich stark – eigentlich wäre Bise (also Ostwind) zu erwarten gewesen, doch der Wind wehte entlang der Talachse in die entgegengesetzte Richtung. Ob da eine Südost-Komponente im Spiel war, welche den Wind via Saxerlücke zum Sämtisersee umleitete?

Die vergangenen, etwas kühleren Tage mit Nachtfrost haben gereicht, dass der Sämtisersee (bzw. dessen kümmerliche Reste) zugefroren ist. Der tiefe Wasserstand hat das Zufrieren wohl erheblich begünstigt: Das Wasservolumen, welches vorgängig auf 0°C abgekühlt werden muss, war heuer viel geringer als in den Vorjahren. Bei normalem Wasserstand waren in den vergangenen Jahren jeweils eine Schneefallepisode sowie zwei kalte Nächte mit Minima unter -10 °C notwendig, damit sich auf dem See eine Eisdecke ausgebildet hat.

Panoramaaufnahme des gefrorenen Sämtisersees
Noch ist die Eisdecke dünn und teilweise mit Blasen durchsetzt

Die nachfolgende Videosequenz wurde beim Schluckloch aufgenommen, welches den See unterirdisch zum Rheintal hin entwässert. Es ist eindrücklich, wie tief der Wasserspiegel abgesunken ist und wie wenig Wasser versickert…

Durch den tiefen Sonnenstand liegen Teile der Senke ganztägig im Schatten. Bei günstigen Bedingungen taut der Reif hier tagsüber nicht mehr ab und kann über mehrere Tage hinweg anwachsen.

Reifbildung am Sämtisersee

Die Grenze zwischen ganztägig abgeschatteten Bereichen und Gebietsteilen, welche noch durch die Sonne erreicht werden, ist in der Landschaft gut zu erkennen:

Blick Richtung WSW zu den Widderalpstöck. Links die abgeschatteten Bereichen (hier bleibt der Reif erhalten), rechts geht’s dem Reif tagsüber an den Kragen.
Blick in die entgegengesetze Richtung von der Metzigrueb über den (Rest-)Sämtisersee zum Hohen Kasten.

Neben dem Geniessen der Landschaft musste nun noch der ominöse Loggerdeckel angebracht werden, nicht ohne zuvor die aufgelaufenen Daten auszulesen:

Monatstabelle Sämtisersee November 2018

Frosttage hatte der November bisher nur 5 Stück zu bieten, nur zwei Tage wiesen ein negatives Tagesmittel auf. Umso mehr erstaunt es, dass der Sämtisersee zuzufrieren vermochte. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Vertikaldistanz zwischen Messstation und Seespiegel durch die Trockenheit zugenommen hat: Die Temperaturen dürften direkt am See noch tiefer gelegen haben als an der Station.

Beim Abstieg vom Plattenbödeli zum Parkplatz beim Pfannenstiel rückte dann der Hochnebel wieder ins Blickfeld:

Dass die Tour in einem guten Zeitfenster stattgefunden hatte, zeigt die nachfolgende Animation. Am frühen Morgen war die ganze Senke mit Hochnebel gefüllt, bevor er sich für einige Stunden zurückzieht, im Brüetobel kurzzeitig mit Rauhreif besetzte Bäume hinterlässt und im Verlaufe des Nachmittags nochmals hochreichend ins gesamte Tal des Sämtisersees hineinbrandet:

Animation der Webcambilder vom Hohen Kasten (© www.hoherkasten.ch und www.plattenboedeli.ch)

Wie lange dauert die frostfreie Periode in Hintergräppelen?

Am 12. Juli wurde in Hintergräppelen der erste Luftfrost im Juli 2018 registriert: um 05:40 Lokalzeit wurde ein Minimum von -1.1 °C gemessen. Auch am Folgetag gab es nochmals ein Minimum von -0.5 °C:

Es war der erste Luftfrost im Juli überhaupt, und somit ist auch durch Messungen belegt, was zuvor wahrscheinlich bzw. zu vermuten war: in dieser Senke kann in jedem Monat des Jahres Frost auftreten.

Im vergangenen Jahr betrug das Monatsminimum für den Juli +0.5 °C, die längste frostfreie Periode dauerte 58 Tag (vom 10. Juni bis zum 6. August). Im aktuellen Jahr trat die bisher längste frostfreie Periode (20 Tage) vom 26. Mai bis zum 14. Juni auf:

La Chaux-d’Abel – die Erschliessung eines weiteren Kaltluftsees

Für die Suche nach potenten Kaltluftseen bildet die Analyse von digitalen Höhenmodellen gute Resulate: Sie liefert in der Schweiz eine Vielzahl von Senken, welche jedoch nach zusätzlichen Kriterien weiter gefiltert werden müssen, um schlussendlich die vielversprechendsten Kandiaten herauszuschälen.

Manchmal gibt es Hilfe von unerwarteter Seite. Das Hochmoor von La Chaux-d’Abel stand schon länger auf der erweiterten Kandidatenliste, ein Leserkommentar unter einem Blick-Artikel (sic!) liess mich jedoch endgültig hellhörig werden: -29 °C am 13. Februar 2018, gut 2 Grad kälter als in La Brévine? Das tönt vielversprechend.

Nach einer Rekognoszierung zusammen mit dem Grundeigentümer konnte heute eine Teststation in Betrieb genommen werden. Nachfolgend einige Bilder:

Nahe der tiefesten Stelle der Senke, Blick Richtung ENE. Wir befinden uns im nordwestlichsten Zipfel des Kantons Bern, die Häuser im Hintergrund gehören zum Weiler La Cerneux-Veusil-Dessous im Kanton Jura.

Der Sky View Faktor, das bestimmende Element für die Potenz eines Kaltluftsees, weist phänomenal hohe Werte von deutlich über 95 % auf. Normalerweise befindet sich der kälteste Punkt zuunterst in einer Senke. Im Fall der Senke beim Hochmoor von La Chaux-d’Abel ist die Ausgangslage jedoch speziell: im Bereich des tiefsten Punktes befindet sich ein gut 15 m tiefer Trichter:

Die steilen Flanken dieses Einsturztrichters reduzieren die Sichtbarkeit des Himmels und somit ist hier von ungünstigeren Abstrahlungsbedingungen auszugehen. Fraglich ist, wie stark sich dieser Umstand auf die Temperaturminima auswirkt. Aufschluss darüber würden Messungen mit Datenloggern bzw. Wärmebildkameras geben. Vorerst beschränkt sich die Instrumentierung auf eine Teststation in einer Tiefenrinne etwas ausserhalb des Einsturztrichters:

Die Aufstellung der Teststation ist sicher nicht optimal, limitierend wirkt sich hier (wie auch an anderen Standorten) die Beweidung durch Kühe sowie das angrenzende Naturschutzgebiet aus. Der Sensor befindet sich auf einer Höhe von 1.90 m über Boden, ist also gegenüber der Standardhöhe in der Schweiz von 2 m leicht zu tief angebracht.

Aus logistischen Gründen (Länge des Anfahrtsweges) ist der Logger auf eine Speicherfrequenz von 1 h eingestellt. Bei einer Abtastfrequenz von 1 Sekunde werden stündlich ein Momentanwert sowie das Minimum bzw. das Maximum über die vorangegange Stunde registriert. Spätestens Mitte Februar muss der Logger ausgelesen werden – und dann lassen sich erste Vergleiche mit den Minima von La Brévine ziehen…