Die Folgen des Aprilwinters?

Der Frühling hat nun definitiv Einzug gehalten und die Spuren dieses hartnäckigen Aprilwinters bis in grössere Höhen hinauf getilgt. Mit einer Ausnahme – dazu mehr am Ende dieses Artikels.

Sämtisersee

Am vergangenen Auffahrtsmorgen zeigte er sich von seiner schönsten Seite. Ein Schauer in der Nacht verhinderte eine stärkere Abkühlung und feuchtete zusammen mit dem Sämtisersee die Luft an, was zur Bildung von einzelnen Nebelschwaden führte:

Nebelschwaden über dem Sämtisersee

Bei einer Lufttemperatur von gut 9 °C, Windstille und einer intensiven Sonnenstrahlung liess es sich im T-Shirt bestens aushalten.

Noch vor etwas mehr als einem Monat wäre dieses Outfit nicht wirklich angebracht gewesen. Am Sämtisersee lag eine dicke Schneedecke und am Morgen des 21. Aprils war zum letzten Mal in dieser Saison die partielle Ausbildung einer Eisschicht zu beobachten:

Eisschicht auf dem unteren rechten Drittel des Sämtisersees am Morgen des 21. April 2017

Zuvor war der Sämtisersee am 23. März ein erstes Mal komplett eisfrei, nachdem die Eisdecke am 4. März grossflächig aufgebrochen war. Der Schneefall vom 7. März sowie die nachfolgende kalte Nacht, welche das Monatsminimum von -13.3 °C gebracht hat, lieferten die Voraussetzungen, dass der See nochmals kurz zufror.

Insgesamt war der März am Sämtisersee ausserordentlich mild. An keinem einzigen Tag blieb die Temperatur ganztags unter 0 °C, an immerhin 19 Tagen wurden Minimaltemperaturen von unter 0 °C verzeichnet.

Der April knüpfte temperaturmässig dort an, wo der März aufgehört hatte – allerdings nur bis zur Monatsmitte, dann kam der Winter mit aller Macht zurück. Die 20 Frostwechseltage sind dabei weniger erstaunlich als die Tatsache, dass die vier Eistage allesamt in der zweiten Monatshälfte zu verzeichnen waren. Das Monatsminimum von -13.5 °C war um 0.2 K tiefer als dasjenige vom März und dass die monatliche Durchschnittstemperatur um ganze 1.1 K tiefer als im Vormonat lag, dürfte aussergewöhnlich sein.

Im bald zu Ende gehenden Mai gab es bisher noch 5 Tage mit Luftfrösten (letztmals am 20. Mai). Die Tagesmaxima lagen ab dem 10. Mai regelmässig über 15 °C, am 17. Mai wurde erstmals in diesem Jahr die 20 °C-Marke erreicht.

Hintergräppelen

Im Kaltluftsee auf der Alp Hintergräppelen lag das Monatsmittel im März gut 2 K tiefer als am Sämtisersee. Am 7. März gab es den einzigen Eistag des Monates und am darauffolgenden Morgen wurde das Monatsminimum von -20.0 °C registriert. An zwei weiteren Tagen traten Minima von unter -10 °C auf.

Wie auch am Sämtisersee war die Temperaturentwicklung im April absolut ungewöhnlich. Üblicherweise ist im März und im April durch die Einstrahlung bedingt eine starke Zunahme der Temperatur zu beobachten, einzelne Kälterückfälle können immer wieder beobachtet werden. Ausmass und Dauer der Kälteperiode in der zweiten Aprilhälfte dürften jedoch – auch ohne, dass Vergleichswerte aus dem Gebiet vorliegen – aussergewöhnlich sein. Die Monatsmitteltemperatur lag um 0.3 K tiefer als diejenige vom März. Das Monatsminimum von -27.3 °C sowie fünf weitere Tage mit Minima von unter -10 °C traten allesamt in der zweiten Monatshälfte auf:

Während am Sämtisersee im zu Ende gehenden Mai noch 5 Frosttage registriert wurden, waren es in Hintergräppelen 16 Tage mit Luftfrost (Stichtag: 25. Mai):

Zum Schluss eine Beobachtung aus dem Kaltluftsee der Alp Hintergräppelen: Die meisten Fichten in der Senke weisen eine starke bis komplette Rotverfärbung der Nadeln auf und  teilweise sind die verfärbten Nadeln bereits abgefallen. Die Obergrenze dieser Rotverfärbung fällt ungefähr mit dem oberen Rand der Senke zusammen.

Am plausibelsten erscheinen mir die Erklärungen, welche in der Publikation von aufgeführt sind:

  • Die Frosthärte der Fichte unterliegt einer jahreszeitlichen Schwankung, die kritische Temperatur liegt zwischen -5 und -37 °C.
  • Bereits nach einigen warmen Tagen im Winter beginnt die Enthärtung, die Bäume werden gegenüber Kälteeinbrüchen verwundbar.
  • Je nach Stärke der Frosteinwirkung sind nur die Nadelspitzen des jüngsten Nadeljahrgangs betroffen, bei starken Einwirkungen kann die gesamte Krone betroffen sein.
  • Prinzipiell wird zwischen drei Schädigungsformen unterschieden:
    • Erfrierungsschäden treten auf, wenn die Temperatur unter die aktuelle Frosthärte der Fichte absinkt.
    • Frostwechselschäden treten bei häufigem Auftauen und Wiedergefrieren auf, die Folgen sind mit denjenigen bei tiefen Temperaturen vergleichbar.
    • Frosttrocknis tritt auf, wenn wegen starker Sonneneinstrahlung die Fichte über die Krone Wasser verdunstet, während der gefrorene Boden das Defizit nicht ausgleichen kann.
  • Nadelverrötungen treten im Schnitt alle 10 Jahre auf, das letzte grössere Ereignis wurde im  Winter 1986/87 in der Zentral- und Ostschweiz registriert.
  • So dramatisch das Schadensbild aussieht: Die Bäume haben eine erstaunliche Regenerationsfähigkeit und erholen sich in den Folgejahren, nur verhältnismässig wenige Bäume sterben ab. Die Schwächung macht die Bäume jedoch anfällig auf Borkenkäferbefall.

Zwischen dem 17. März und dem 18. April wurden auf der Alp Hintergräppelen keine Temperaturen mehr unter -10 °C registriert. Zwar traten starke tägliche Temperaturschwankungen auf: Frostwechseltage mit z.T. mehr als 20 K Temperaturdifferenz sind jedoch in den Übergangsjahreszeiten in einem ausgeprägten Kaltluftsee keine aussergewöhnlichen Erscheinungen, vermutlich sind die Bäume diese Schwankungen gewohnt. Der plötzliche Kälteeinbruch, welcher die Temperatur auf bis zu -27.3 °C absinken liess (vgl. auch Es lächelt der Kaltluftsee, er ladet zum Bade…) und die gleichzeitig starke Sonnenstrahlung dürften wahrscheinliche Gründe für die Nadelverrötung sein.

Als forstkundlich nur mässig bewanderter Zeitgenosse bin ich für Präzisierungen und Berichtigungen dankbar!

Literatur:

Engesser, Roland, Beat Forster, and Werner Landolt. 2002. “Frostschäden an Nadelbäumen Im Winter 2001/2002 Und Deren Folgen | Frost Damage to Conifers in Winter 2001/2002 and Its Influence on Tree Development.” Schweizerische Zeitschrift Fur Forstwesen 153 (12): 471–75. https://doi.org/10.3188/szf.2002.0471.

 

 

 

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